Solleigenschaften einer Modellbahnsteuerung

    Gelegentlich werde ich gefragt, worauf man denn bei einer Modellbahnanlage achten soll, insbesondere wenn man digital fahren will. Das hängt natürlich wesentlich von der Anlagengröße und vom geplanten Betrieb ab. Für eine sehr kleine Heimanlage reicht ein klassischer Trafo und handgestellte Weichen, größere Anlagen sind dann fallweise echte Herausforderungen und müssen mit vernünftig geplanter Technik gesteuert werden, sonst wird man wenig Freude mit dem Betrieb haben.

    Aus eigener Erfahrung kann ich den Lehrsatz von Murphy bestätigen: "if shit can happen, it will happen", das ist zwar nicht ganz politisch korrekt formuliert, trifft die Sache aber recht gut.

    Deshalb hier zusammengefaßt eine Liste von Punkten (als Pflichtenheft), die man bei einer Modellbahnsteuerung gerade für eine größere Anlage von vornherein berücksichtigen sollte!
    Und diese Anforderungen sind auch der Grund, warum ich OpenDCC und BiDiB mache!

Einteilung in Abschnitte

    Jeder Block bestehend aus mind. einem Streckenabschnitt und einem Haltabschnitt mit je einem eigenen Belegtmelder. Ein Melder je Block ist nicht betriebssicher, gerade in Situationen, in denen der reguläre Betrieb unterbrochen war. Im sichtbaren Bereich ist zusätzlich ein Bremsabschnitt anzuordnen, um sauberes Zielbremsen zu ermöglichen. Weichen sind bis über das Grenzzeichen hinaus (bis zum Radsatz) aus dem Block herauszunehmen und mit eigenen Melder auszurüsten. (Eigener Melder deshalb, weil sonst elektrisch keine sichere Erkennung während der Überfahrt im benachbarten Block möglich ist. Und die Weiche soll auch nicht dem Block zugeschlagen werden, weil sonst bei Blockbelegung 'Gleis ist frei' auf der Weiche nicht erkannt werden kann.)

    Alle Belegtmelder müssen gleichen Spannungsabfall haben, es darf keine ungemeldeten Abschnitte geben.

    Kehrschleifen müssen kurzschlußfrei durchfahren werden, die Kontrolle der Kehrschleife muß aus der Zugbewegung heraus mittels Sensoren (z.B. Lichtschranken) oder Sensorabschnitten direkt erfolgen (nicht über PC).

    Empfohlene Längen (für H0):
    • immer ein Haltmelder 30cm vor dem Signal; bei Zweirichtungsbetrieb gilt das in jeder Richtung
    • in langen Blöcken etwa 150cm vor dem Signal eine Trennung und extra Belegtmelder zur Bremseinleitung
    • Streckenabschnitt mit mehr als 600cm besser in zwei Blöcke zerteilen.

Verdrahtung

    Bei Ausstellungsanlagen muss man mit Zuschauern rechnen und die haben alle ein Telefon dabei: in Ausstellungsräumen herrscht daher ziemliches Mobilfunkaufkommen. Deshalb ist eine EMV-gerechte und sichere Installation erforderlich. Hierzu gehören folgende Grundregeln:
  • Verdrahtung der Steuerkomponenten mit industrieerprobten und störresistenten Techniken wie LAN oder RS485.
  • Einspeisung des Gleises immer als Leitungspaar, Verlegung mit verdrillten Leitungen.
  • Steckbare Anschlüssen an die Baugruppen.
  • Jeder Abschnitt (sofern über Schienenlaschen verbunden) wird mehrfach eingespeist, mind. an beiden Enden.

Steuer- und Meldebausteine

  • Einfache, menugeführte Konfiguration der Bausteine und Lokdekoder ('handbuchfrei'). Gerne verweise ich an dieser Stelle auf den Komfort, den z.B. die BiDiB-Tools hier bieten.
  • Unterstützung im Wartungsfall: Einfacher Baugruppentausch durch Baugruppen-Backups, die vom Leitstand aus aufgespielt werden können.
  • Ausfallüberwachung der gesamten Steuer- und Meldebausteine. Der Ausfall eines Bausteins oder Dekoders muß erkannt und gemeldet werden. (Eine ausfallende Belegtmeldung oder eine nicht gestellte Weiche kann zu Unfällen führen.)
  • Absicherung der Steuerung gegen Nachrichtenverlust bei Stellaktionen oder bei Rückmeldungen von der Anlage: hierzu Absicherung der Nachrichten über eine Prüfsumme, Erkennen von verlorenen Nachrichten über Sequentialisierung und aktiver Quittierung der Meldung.
  • Meldebausteine mit einstellbarem Memory und einstellbarer Empfindlichkeit und zusätzlicher Störunterdrückung. (Es gibt nichts schlimmeres als 'flackernde' Melder).

Zugsteuerung

  • Effiziente Lokbefehlserzeugung für die Fahrzeuge, dabei besondere Berücksichtigung der fahrenden, und nochmal besonders der bremsenden Fahrzeuge.
  • Absicherung der Steuerung gegen Ausfall des Steuerrechners und/oder des Steuerprogrammes über Watchdogschaltung, welche beim Ausfall alle Züge anhält. (Watchdogschaltung: ein Schalter, welcher immer wieder vom Steuerprogramm innerhalb einer festgesetzten Zeit betätigt werden muß)
  • Auswertung der Istgeschwindigkeit des Fahrzeuges.
  • Justage des Fahrzeugabgleiches ('Einmessen') im laufenden Betrieb

Fahrzeuge

  • Sichere Stromaufnahme über möglichst viele Achsen
  • Züge elektrisch durchkuppeln
  • keine diagonale Stromaufnahme
  • Ausrüsten aller Wagen mit leitenden Widerstandachsen (20 kOhm)
  • (Der Rad-Schiene-Kontakt ist einer größeren Unsicherheitsfaktoren - gerade wegen Verschmutzung. Erfahrungsgemäß sind Zugfahrzeuge mit zweiachsiger Stromaufnahme ein Alptraum, vierachsig geht so, braucht halt ab und an Räder putzen (nach 5 Tagen Fahrt). Ab 8 Achsen Stromaufnahme fährt der Zug - einfach so. Fahren und vergessen. Bei 'Dauerläufern' kuppelt man elektrisch durch, das machen wir so, das machen mir bekannte Vereine so.

    Diagonale Stromaufnahme: Ein Wagen oder Lok nimmt z.B. vorne rechts und hinten links Strom auf. D.h. trotz 4 vorhandenen Achsen sind nur je zwei Räder an der Stromaufnahme beteiligt: Licht flackert, Fahrzeug ruckelt. Erschwerend kommt hinzu, dass so ein Fahrzeug bei Überfahrt über eine Versorgungsdomain (=Boosterbereich) den Strom aus der einen Domain nimmt und in der anderen Domain zurückspeist. Wie schließt sich der Kreis? 'irgendwo' hintenrum über die Steuerung und den Steuerbus. Diagonale Stromaufnahme ist eine Unsitte kostensparender Hersteller (die Radschleifer sind halt billiger und man braucht weniger Lötstellen im Fahrzeug) und ein absoluter Nicht-Kauf-Grund. )

Stromversorgung der Anlage

  • Aufteilung der Anlage in Versorgungsbereiche mit Leistungsbeschränkung auf 60W. (Brandsicherung)
  • Zentrale Kontrolle, Überwachung und Anzeige des Betriebszustandes (Strom, Spannung, Temperatur) je Versorgungsbereich.
  • Nothalt bei Ausfall der Zugsteuerung.
  • Einschaltstrombegrenzung (über Sequenzschaltung beim Einschalten oder in den Bausteinen integriert)
  • Separate Erdung der Anlage, um kummulierte Leckströme von Trafos und Netzteilen sicher abzuleiten.

Lichtsteuerung

  • Raumlicht aus der Modellbahnsteuerung kontrollierbar. Entweder direkt oder über eine 'Modellzeit'
  • Havarie-Mode der Lichtsteuerung (schnelles Aufdimmen im Störfall (z.B. bei einer Entgleisung oder bei Problemen neben der Anlage)

Allgemeines

  • Automatisches Erkennen und Zuordnen von (neu) aufgegleisten Fahrzeugen (samt Aufgleisrichtung) überall auf der Anlage. Automatisches Einordnen der Fahrzeuge ins Gleisbild.
  • Erkennen von Falschfahrten (Lok meldet sich in falschen Abschnitt)
  • Anzeige von Wartungsintervallen für Fahrzeuge (Betriebsstundenzähler)
  • Anzeige von Wartungsinformationen zu Rad- und Schienenzustand (Quality of Service, 'Verschmutzungsstatistik').
  • Firmwareupdate bei Steuerkomponenten im eingebauten Zustand möglich
  • (Zum Rad-Schiene Kontakt siehe oben: Verbessern ist eine Seite, rechzeitiges Erkennen von sich ankündigenden Problemen ist die andere Seite.)